Anekdoten & Mehr
Wenn einer eine Reise macht ........
1843/44 war eine Zugfahrt noch ein besonderes Erlebnis. So ist die nachfolgende Begebenheit nicht verwunderlich.Oma Scheidel berichtet über ihre Gotti Marie Bilharz und ihre abenteuerliche Zugfahrt. Marie Bilharz arbeitete mit anderen Frauen auf dem Feld, als ein Zug - wohl auf der Probefahrt - vorbei kam. Die Eisenbahner sahen die jungen Frauen und luden sie zur Mitfahrt ein. Wie hätten sie dem Angebot einer kleinen Unterbrechung ihrer Feldarbeit widerstehen können. Glück oder Pech, dass der Zug erst wieder in Freiburg hielt? Jedenfalls mussten sich die Frauen erstmal bei Bekannten in Freiburg Geld leihen, um Essen und Trinken zu kaufen. Gestärkt ging es dann mit der Haue auf dem Rücken zu Fuß zurück nach Kenzingen. Ein knapp 30 Kilometer langer "Spaziergang".
Bild vergrößern Originalschriftstück über die erste Zugfahrt der Marie Bilharz.
Bild vergrößern Geschenk der Königlichen Hoheit an die Gastgeber.
Majestätischer Besuch
Auf jeden Fall war es eine Königliche Hoheit, die im Jahre 1806 in der Kranzwirthschaft nächtigte. Der Überlieferung nach soll es sogar Luise Prinzessin zu Mecklenburg gewesen sein, bekannt als Königin Luise von Preußen (1776 bis 1810), Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. von Preußen und Mutter Kaiser Wilhelm I. Eindeutige Belege gibt es nicht, aber ein außergewöhnliches Gastgeschenk. Ein wunderschönes kleines Service, das - sorgfältig aufbewahrt - noch auf seine Herkunftsbestimmung wartet.Vielleicht findet sich unter den Freunden historischer Gasthäuser und damit Leser dieser Zeilen ein Spezialist, der hier Licht ins Dunkel bringen kann.
Paragraph 11 "Es wird weitergesoffen"
Anfang des 19. Jahrhunderts verulkten Studenten gerne Regelungen aus Gesetzen und Verordnungen. So ist der legendäre § 11 wohl der bekannteste in deutschen Bier-Comments, einem scherzhaften Regelwerk zum gemeinschaftlichen Biergenuss in studentischen Kneipen.
Hintergrund war § 11 der Gesellenordnung von 1815. Darin war geregelt, dass Gesellen, die auf der Wanderschaft waren, diese nicht unterbrechen durften ("Es wird weitergewandert") egal was sie nach Hause rufen könnte. Diese Regelung wandelten die Studenten um und gaben ihrem § 11 den Inhalt: "Es wird weitergesoffen" (lateinisch: "porro bibitur") egal was einen nach Hause rufen könnte.
Es liegt nahe, dass die Kranzwirthschaft auch bei Studenten beliebt war. Hinweise hierfür könnten die Fotos in Kapitel "Entdeckungen im Gasthaus" bzw. in Kapitel "Rolle in der Geschichte" sein. Das eine Bild zeigt wunderschöne Ornamente auf altem Originalfenster. Darin versteckt "§11". Im anderen Bild gruppiert sich die fröhliche Gesellschaft u.a. auch um ein Fass mit der Beschriftung "§11".
Kenzingen liegt in der Oberrheinebene im nördlichen Breisgau und wird dank seines gut erhaltenen Ortskerns gerne als historisches Kleinod bezeichnet. Die erste Erwähnung findet Kenzingen im Jahre 1249. Bevor Sie sich in Scheidels Restaurant zum Kranz verwöhnen lassen, lohnt auf jeden Fall ein Bummel durch das Städtchen mit seinen gepflegten Fachwerkhäusern.
Sie sehen mit der Laurentius-Kirche -erstmals 1275 urkundlich erwähnt- das älteste heute noch erhaltene Bauwerk der Stadt.
Bild vergrößern Schattenspendende Bäume am Kirchplatz umgeben die Laurentius Kirche von Kenzingen.
Bild vergrößern An der Hauptstraße in Kenzingen steht das repräsentative Rathaus.
Repräsentativ stellt sich das Rathaus dar, mit siebenfacher Gliederung der gotischen Fensterfront. Ursprünglich 1528 von Ritter Wolf von Hürnheim zu Tuttenstein als Amtssitz errichtet, wurde es nach Ende der Pfandschaft seit 1537 als Rathaus genutzt. Beschädigungen sowohl durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges als auch durch den 2. Weltkrieg setzten dem Gebäude arg zu. Glücklicherweise fanden sich immer wieder helfende Hände, die das prächtige Gebäude restaurierten. Bemerkenswert auch noch das stattliche Wappenrelief mit den einzelnen Schildern der Habsburger Herrschaftsgebiete, die an die österreichische Regierungszeit erinnern.
Gehen wir durch das Schwabentor, können wir uns gut vorstellen, dass es ursprünglich eine Ausfallpforte in der Stadtmauer der mittelalterlichen Festung war. Erst wesentlich später, vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts entstand ein Rundbogentor, um die Zufahrt in die Stadt zu erleichtern. So wie wir das Schwabentor heute sehen, ist es den zeitgemäßen Anforderungen angepasst. Die Toreinfahrt wurde nochmals vergrößert und eine Erweiterung durch einen kleinen Torbogen für Fußgänger vorgenommen.
Versäumen Sie auch nicht den Üsenbergbrunnen. Er steht seit 1824 im Zentrum der historischen Altstadt und wird überragt durch ein Standbild des Stadtgründers Rudolf des II. von Üsenberg. Die Üsenberger waren ein im 11. bis 14. Jahrhundert bedeutendes Adelsgeschlecht im Markgräflerland und im Breisgau und gründeten verschiedene Städte wie Kenzingen aber auch Sulzburg (siehe Historische Gasthäuser in Baden" Gasthaus Rebstock in Sulzburg). Sie residierten in der 1203 erstmals erwähnten Kirnburg. Heute im Besitz des Landes Baden-Württemberg und nur noch als Ruine erkennbar, ist sie ein beliebtes Wanderziel. Vom Herbolzheimer Ortsteil Bleichheim führt eine sechs Kilometer lange Rundwanderung an der Burgruine vorbei.
Bild vergrößern Das Schwabentor mit Blick in die historische Altstadt. Deutlich erkennbar die beiden Torbögen für Fahrzeuge und Fußgänger.
Bild vergrößern Der Üsenbergbrunnen an der Hauptstraße mit dem Standbild des Stadtgründers.