Die Wirtsleute
Karl Oberkirch stammte aus dem Kaiserstuhl, aus einer Familie von Gastwirten und Winzern. Als er 1936 das Haus am Freiburger Münsterplatz erwarb, besaß er bereits eine Weinstube am Ort – bloß einige hundert Meter weiter, in der Bertoldstraße. Nur etwa ein Jahr lang betrieb er beide Weinstuben gleichzeitig; danach konzentrierte er sich mit all seiner Kraft auf das Haus am Münsterplatz. „Oberkirchs Weinstuben“ – also „Weinstube“ im Plural – lautet seither dessen offizieller Name, der sich heute noch in goldgelben Lettern über die helle Fassade zieht.
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Bild vergrößern ... wirkt heute Doris Hunn
Oberkirch gestaltete das neuerworbene Gasthaus so gründlich um, dass es bis heute seinen Stempel trägt, seinen Geist atmet: Der Kachelofen, die Holzvertäfelung, die handgedrechselten Stühle, die vielen Gemälde an den Wänden, die er meistens bei Freiburger Künstlern erstand – all das geht auf Karl Oberkirch zurück. Aus der einfachen Schankwirtschaft machte er ein feines Speiselokal. Seine Frau Elise stammte ebenfalls aus einer Gastronomenfamilie, aus Bahlingen im Kaiserstuhl – es mag sein, dass ihm auch aus diesem Grund die gute Küche eine Herzensangelegenheit war … Und da Oberkirchs eigene Familie im Kaiserstuhl ein Weingut besaß, pachtete er kurzentschlossen den Gewölbekeller des alten Peterhofs (heute ein Gebäude der Universität) mitsamt einigen Keltermaschinen. Er stellte einen Kellermeister ein und produzierte dort seinen eigenen Wein.
Schon bald nachdem er das Münsterplatzhaus übernommen hatte, baute Oberkirch die Wohnungen in den oberen Stockwerken nach und nach zu kleinen Hotelzimmern um. Es war dort allerdings zuerst noch ein bescheidenes Wohnen: Die Zimmer hatten keine eigenen Bäder, es gab nur ein Etagenbad. Bloß ein sehr großes Zimmer im 2. Obergeschoss – das sogenannte „Fürstenzimmer“ – besaß damals schon einen eigenen Baderaum. Immerhin: Der entscheidende Schritt zum „Hotel Oberkirch“ war getan. 1951 wurde auch der Hoteltrakt in der Schusterstraße (der sich auf der rückwärtigen Seite direkt an das Münsterplatzgebäude anschließt) feierlich eröffnet.
Vor allem in den Jahren nach dem Krieg war das „Oberkirch“ ein Treffpunkt der Lokalpolitik – mehrere Stammtische existierten, die lange Zeit regelmäßig zusammen kamen. Stadträte und Bürgermeister besprachen sich bei einem Schoppen Wein … Noch heute sieht man an den Wänden manche Fotos von Freiburger Honoratioren aus dieser Zeit. An den Samstagen gab es damals ungefähr 15 Stammtische – an fast jedem Restauranttisch einen. Bis heute (2009) haben sich einige dieser Stammtische erhalten.
1951, im Jahr der Hoteleröffnung, trat Oberkirchs Tochter Helga in den Betrieb ihrer Eltern ein; 1967 übernahm sie von ihnen die Führung des Hauses. Gemeinsam mit Herbert Johner, ihrem Mann, leitete sie das „Oberkirch“ bis zum Jahr 1991 – dann ging der Stab an den gemeinsamen Sohn Helmut weiter und an dessen Lebensgefährtin Doris Hunn.
Doris Hunn ist keine alteingesessene Freiburgerin; sie hat aber schon frühzeitig „reingeschmeckt“: In Gottenheim am Tuniberg geboren, besuchte sie das Freiburger St.- Ursula-Gymnasium; in Freiburg hat sie auch studiert. Nachdem sie und Helmut Johner die Leitung des „Oberkirch“ übernommen hatten, war das Erste, was sie in Angriff nahmen, eine weitere umfassende Renovierung des Hauses. Seither gibt es drei kleine Suiten mit allem Komfort, und in die Hotelzimmer kamen Bäder. Im Münsterplatzhaus wurde ein Aufzug eingebaut. Die Küche erhielt eine moderne technische Ausstattung; sie wurde komplett umgestaltet. – Die Weinproduktion im Keller des Peterhofs mussten die beiden neuen Wirte allerdings aufgeben. Denn als der noch von den Oberkirchs eingestellte Kellermeister Mitte der Neunzigerjahre in Rente ging, erhöhte das Land den Mietpreis kräftig – und das Geschäft mit selbstproduzierten Wein war mit einem Mal nicht mehr rentabel.
1997 starb Helmut Johner. Doris Hunn führt seither das „Oberkirch“ allein weiter. Viele Stunden ist sie tagsüber auf den Beinen – besonders die Hauptsaison verlangt ihre ganze Kraft. Doch sie stellt sich gern der Verantwortung für das traditionsreiche Haus am Münsterplatz. „Ich weiß, dass ich hierhin gehöre“, sagt sie.